Der Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober

Von Scott Ritter – 18./13. November 2023

Wir dokumentieren im Folgenden einen Beitrag von Scott Ritter, ehem. US-amerikanischer Offizier und UNO-Inspektor, Autor und Analyst für Geopolitik. Der Beitrag spiegelt nicht die Meinung der Redaktion wider. Wir halten die Argumente des Autors aber für so bedeutsam, dass wir sie hiermit zur Diskussion stellen.

Es gibt eine Binsenweisheit, die ich oft zitiere, wenn ich die verschiedenen analytischen Ansätze zur Bewertung der vielfältigen geopolitischen Probleme, mit denen die Welt heute konfrontiert ist, erörtere: Man kann ein Problem nicht lösen, wenn man es nicht zuerst richtig definiert. Der Kern des Arguments ist ganz einfach: Jede Lösung, die nichts mit dem betreffenden Problem zu tun hat, ist im wahrsten Sinne des Wortes gar keine Lösung.

Israel hat den Angriff der Hamas auf die verschiedenen israelischen Militärstützpunkte und militarisierten Siedlungen oder Kibbuz, die in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Teil des Gaza-Sperrsystems ausmachen, als massiven Terrorakt bezeichnet und mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf die Vereinigten Staaten verglichen. Israel stützt diese Charakterisierung, indem es die Zahl der Getöteten angibt (etwa 1.200, eine Korrektur nach unten, die von Israel vorgenommen wurde, nachdem es feststellte, dass 200 der Toten palästinensische Kämpfer waren) und eine Vielzahl von Gräueltaten aufzählt, die angeblich von der Hamas begangen wurden, darunter Massenvergewaltigungen, die Enthauptung von Kindern und die Ermordung von unbewaffneten israelischen Zivilisten.

Das Problem mit den israelischen Behauptungen ist, dass sie nachweislich falsch oder irreführend sind. Nahezu ein Drittel der israelischen Opfer waren Militär-, Sicherheits- und Polizeibeamte. Außerdem hat sich herausgestellt, dass nicht die Hamas oder andere palästinensische Gruppierungen, sondern das israelische Militär selbst am 7. Oktober die meisten israelischen Opfer zu beklagen hatte. Kürzlich veröffentlichte Videos zeigen, wie israelische Apache-Hubschrauber wahllos auf israelische Zivilisten schießen, die versuchen, von der Supernova-Sukkot-Veranstaltung in der offenen Wüste in der Nähe des Kibbutz Re’im zu fliehen, wobei die Piloten nicht zwischen Zivilisten und Hamas-Kämpfern unterscheiden können. Viele der Fahrzeuge, die die israelische Regierung als Beispiel für die Niedertracht der Hamas angeführt hat, wurden von den israelischen Apache-Hubschraubern zerstört.

Ebenso hat die israelische Regierung das, was sie als „Re’im-Massaker“ bezeichnet, weithin publik gemacht und eine Zahl von etwa 112 Zivilisten genannt, die angeblich von der Hamas ermordet wurden. Augenzeugenberichte von überlebenden israelischen Zivilisten und an den Kämpfen beteiligten Militärangehörigen zeigen jedoch, dass die große Mehrheit der Getöteten durch das Feuer israelischer Soldaten und Panzer auf Gebäude starb, in denen sich die Zivilisten entweder versteckten oder von Hamas-Kämpfern als Geiseln gehalten wurden. Es dauerte zwei Tage, bis das israelische Militär Re’im zurückerobern konnte. Dies gelang erst, nachdem Panzer auf die Wohnhäuser der Zivilisten geschossen hatten, so dass sie auf ihre Bewohner einstürzten und oft in Brand gerieten, so dass die Leichen der Bewohner vom Feuer verzehrt wurden. Die israelische Regierung hat publik gemacht, dass sie die Dienste forensischer Archäologen in Anspruch nehmen musste, um die menschlichen Überreste im Kibbuz zu identifizieren, und dabei unterstellt, dass die Hamas die Häuser der Bewohner verbrannt hat. Tatsache ist jedoch, dass es israelische Panzer waren, die die Zerstörung und das Töten vornahmen.

Diese Szene wiederholte sich in anderen Kibbuzes entlang des Gaza-Sperrsystems.

Die israelische Regierung behandelt den Kibbuz als rein zivil und hat dennoch veröffentlicht, wie bewaffnete Sicherheitsteams mehrerer Kibbuzes – die sich aus den so genannten „zivilen“ Bewohnern rekrutieren – in der Lage waren, rechtzeitig zu mobilisieren, um die Hamas-Angreifer erfolgreich abzuwehren. In Wirklichkeit musste jeder Kibbuz von der Hamas wie ein bewaffnetes Lager behandelt und als solches angegriffen werden, als ob es sich um ein militärisches Ziel handelte, und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie es alle waren.

Außerdem wurde jeder Kibbuz bis zur Verlegung mehrerer IDF-Bataillone in das Westjordanland durch eine Truppe von etwa 20 IDF-Soldaten verstärkt, die im Kibbuz einquartiert waren. Da die Hamas diesen Angriff seit über einem Jahr geplant hatte, musste sie davon ausgehen, dass sich diese 20 IDF-Soldaten noch immer in jedem Kibbuz befanden, und entsprechend handeln.

Die israelische Regierung musste ihre Behauptungen, die Hamas habe 40 Kinder enthauptet, zurücknehmen und hat keine glaubwürdigen Beweise dafür vorgelegt, dass die Hamas an der Vergewaltigung oder dem sexuellen Übergriff auf eine einzige israelische Frau beteiligt war. Augenzeugenberichte beschreiben die Hamas-Kämpfer als diszipliniert, entschlossen und tödlich im Angriff und dennoch höflich und sanft im Umgang mit gefangenen Zivilisten.

Es stellt sich die Frage, warum die israelische Regierung alles daransetzt, ein Narrativ zu fabrizieren, das die falsche und irreführende Charakterisierung des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober auf das Gaza-Absperrsystem als Terrorakt unterstützt.

Die Antwort ist ebenso beunruhigend wie klar – denn was am 7. Oktober geschah, war kein Terroranschlag, sondern ein militärischer Überfall. Der Unterschied zwischen den beiden Begriffen ist wie Tag und Nacht: Indem Israel die Ereignisse vom 7. Oktober als Terrorakte bezeichnet, schiebt es die Schuld für die enormen Verluste von seinen Militär-, Sicherheits- und Geheimdiensten auf die Hamas ab.

Sollte Israel jedoch anerkennen, dass es sich bei dem, was die Hamas getan hat, tatsächlich um einen Überfall – eine Militäroperation – gehandelt hat, würde die Kompetenz des israelischen Militärs, der Sicherheitsdienste und des Geheimdienstes in Frage gestellt werden, ebenso wie die politische Führung, die für die Überwachung und Leitung ihrer Operationen verantwortlich ist.

Und wenn Sie der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu sind, ist das das Letzte, was Sie wollen.

Benjamin Netanjahu kämpft um sein politisches Überleben. Er befand sich bereits in einer von ihm selbst verursachten Krise, nachdem er ein Gesetz durchgesetzt hatte, mit dem das israelische Grundgesetz in einer Weise umgeschrieben wurde, die die israelische Justiz unter die Kontrolle der Knesset stellte und ihren Status als eigenständige, aber gleichberechtigte Regierungsinstanz effektiv beendete (so viel dazu, dass Israel die „größte Demokratie im Nahen Osten“ ist). Dieser Akt brachte Israel an den Rand eines Bürgerkriegs, und Hunderttausende von Demonstranten gingen auf die Straße, um Netanjahu anzuprangern. Was Netanjahus Handeln noch verabscheuungswürdiger macht, ist die Tatsache, dass es sich dabei um ein reines Machtspiel handelte, mit dem das israelische Gerichtssystem daran gehindert werden sollte, ihn wegen mehrerer glaubwürdiger Korruptionsvorwürfe vor Gericht zu stellen, die ihn im Falle eines Schuldspruchs (was sehr wahrscheinlich ist) für viele Jahre ins Gefängnis gebracht hätten.

Netanjahu hatte sich selbst als Israels oberster Verteidiger bezeichnet, als Spezialist für die Bedrohungen, denen Israel im Ausland ausgesetzt ist, und dafür, wie man am besten darauf reagiert. Er hat sich offen für eine militärische Konfrontation mit dem Iran wegen dessen Atomprogramm ausgesprochen. Netanjahu ist auch ein Befürworter des politischen Zionismus in seiner extremsten Ausprägung und hat die Ausweitung der israelischen Siedlungen im Westjordanland gefördert, die Palästinenser mit Gewalt aus ihren Häusern und Dörfern vertreiben, als Teil eines Gesamtplans zur Schaffung eines „Groß-Israel“, das dem biblischen Vorbild entspricht.

Ein Teil von Netanjahus Strategie zur Verwirklichung dieses Traums von einem „Groß-Israel“ besteht darin, das palästinensische Volk und seine Regierung bis zur Bedeutungslosigkeit zu schwächen und sie so daran zu hindern, ihren Traum von einem unabhängigen palästinensischen Staat zu verwirklichen. Um diese Strategie zu erleichtern, hat Netanjahu in den letzten zwei Jahrzehnten das Wachstum der Hamas als politische Organisation gefördert. Der Zweck dieser Unterstützung ist einfach: Durch die Förderung der Hamas schwächt Netanjahu die Palästinensische Autonomiebehörde, das Regierungsorgan des palästinensischen Volkes, das von seinem Präsidenten Mahmoud Abbas geleitet wird.

Netanjahus Plan ging auf – im September 2020 unterzeichnete Netanjahu das Abaraham-Abkommen, eine Reihe bilateraler Vereinbarungen, die von der Regierung des damaligen Präsidenten Donald Trump vermittelt wurden und die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Golfstaaten zum Ziel hatten, alles auf Kosten einer unabhängigen palästinensischen Nation. Vor dem Hamas-Anschlag am 7. Oktober stand Israel kurz davor, die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu normalisieren, ein Akt, der den Sargnagel für die palästinensische Eigenstaatlichkeit bedeutet hätte.

Einer der Hauptgründe für Israels Fortschritte in dieser Hinsicht war sein Erfolg bei der Schaffung einer politischen Kluft zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Am 7. Oktober wurde dieser Erfolg jedoch durch den Sieg der Hamas über die IDF zunichte gemacht. Die genauen Mittel, mit denen dieser Sieg errungen wurde, sind ein Thema für ein anderes Mal. Aber die grundlegenden Elemente dieses Sieges sind bekannt.

Die Hamas hat Israels gepriesene Nachrichtendienste wirkungsvoll neutralisiert und sie für die Möglichkeit eines Angriffs dieses Ausmaßes blind gemacht.

Als der Angriff stattfand, war die Hamas in der Lage, genau die Überwachungs- und Kommunikationsknotenpunkte zu treffen, auf die sich die IDF verließen, um im Falle eines Angriffs eine Reaktion zu mobilisieren.

Die Hamas besiegte die entlang der Sperrmauer stationierten israelischen Soldaten im Nahkampf. Zwei Bataillone der Golani-Brigade wurden aufgerieben, ebenso wie Teile anderer gepriesener IDF-Einheiten.

Die Hamas griff das Hauptquartier der Gaza-Division, die örtliche Geheimdienstzentrale und andere wichtige Kommando- und Kontrolleinrichtungen mit brutaler Präzision an und machte aus einer Reaktionszeit von fünf Minuten viele Stunden – mehr als genug Zeit für die Hamas, um eines ihrer Hauptziele zu verwirklichen: die Geiselnahme. Dies gelang ihnen mit äußerster Geschicklichkeit, und sie kehrten mit mehr als 230 israelischen Soldaten und Zivilisten nach Gaza zurück.

Das Marineinfanteriekorps definiert einen Überfall als „eine Operation, in der Regel von geringem Umfang, bei der schnell in feindliches Gebiet eingedrungen wird, um Informationen zu erhalten, den Feind zu verwirren oder seine Einrichtungen zu zerstören. Sie endet mit einem geplanten Rückzug nach Abschluss der zugewiesenen Mission“.

Genau das hat die Hamas am 7. Oktober getan.

Was waren die Ziele dieses Angriffs? Nach Angaben der Hamas verfolgte der Überfall am 7. Oktober drei Ziele.

Erstens, das Recht des palästinensischen Volkes auf ein Heimatland, das nicht durch das Abaraham-Abkommen definiert ist, zu bekräftigen.

Zweitens die Freilassung der mehr als 10.000 Palästinenser, die von Israel gefangen gehalten werden, die meisten von ihnen ohne Anklage und ohne ein ordentliches Verfahren.

Drittens die Wiederherstellung der Unantastbarkeit der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem, der drittheiligsten Stätte des Islam, die in den letzten Jahren wiederholt von israelischen Sicherheitskräften geschändet worden war.

Um diese Ziele zu erreichen, musste der Überfall vom 7. Oktober die notwendigen Voraussetzungen für einen Sieg schaffen. Dies wurde erreicht, indem Israel ausreichend gedemütigt wurde, um ein vorhersehbares Ergebnis zu provozieren – die Umsetzung der Dahiya-Doktrin der kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen in Verbindung mit einem Bodenangriff auf den Gazastreifen, der die IDF in einen Hinterhalt der Hamas locken sollte.

Die Geiselnahme sollte der Hamas als Verhandlungsmasse für die Freilassung der 10.000 von Israel festgehaltenen Gefangenen dienen.

Die israelische Bombardierung und Invasion des Gazastreifens hat zu internationaler Empörung gegen Israel geführt, da die Welt vor der humanitären Katastrophe, die sich vor ihren Augen abspielt, zurückschreckt. Die Straßen der großen Städte auf der ganzen Welt sind voll von wütenden Demonstranten, die für das palästinensische Volk – und die palästinensische Eigenstaatlichkeit – demonstrieren. Die Vereinigten Staaten erklären nun, dass eine Zweistaatenlösung – etwas, was das Abrahams-Abkommen verhindern sollte – der einzige Weg für den Frieden im Nahen Osten ist.

Das hätten die Vereinigten Staaten am 6. Oktober niemals gesagt.

Die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten diese Haltung eingenommen haben, ist auf den Hamas-Angriff vom 7. Oktober zurückzuführen.

Israel verhandelt mit den Vereinigten Staaten und anderen über einen möglichen Gefangenenaustausch zwischen den Hamas-Geiseln und bestimmten Kategorien politischer Gefangener – Frauen und Kinder -, die von Israel festgehalten werden (ja, Sie haben richtig gelesen – Kinder). Jetzt wissen Sie, wie weise die Entscheidung der Hamas war, israelische Kinder als Geiseln zu nehmen).

Ohne den Hamas-Angriff vom 7. Oktober wäre eine solche Möglichkeit niemals gegeben gewesen.

Und in Saudi-Arabien ist die größte Versammlung islamischer Staaten in der modernen Geschichte zusammengekommen, um die Gaza-Krise zu diskutieren. Einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte ist die Frage der Al-Aqsa-Moschee und die Beendigung der israelischen Schändung.

Eine Diskussion, die ohne den Hamas-Angriff vom 7. Oktober nie stattgefunden hätte.

Es versteht sich von selbst, dass der Hamas-Angriff vom 7. Oktober einen Feuersturm brutaler Vergeltungsmaßnahmen in Form von Bomben, Granaten und Kugeln auf die Zivilbevölkerung des Gazastreifens ausgelöst hat. Es handelt sich um Menschen, denen seit fast acht Jahrzehnten eine eigene Heimat von den Israelis verwehrt wird, die die Palästinenser in einem der größten Akte ethnischer Säuberung der modernen Geschichte – der Nakba oder Katastrophe von 1948 – gewaltsam aus dem Land vertrieben haben, das heute Israel heißt.

Diese Menschen haben unsägliche Entbehrungen durch die israelischen Besatzer erlitten, während sie auf den Moment warten, in dem ihr Traum von einer palästinensischen Heimat wahr wird. Sie wissen, dass ein palästinensisches Heimatland nicht verwirklicht werden kann, solange Israel von denjenigen regiert wird, die die Idee eines Groß-Israels (Eretz Israel) vertreten, und dass die einzige Möglichkeit, diese Leute zu beseitigen, darin besteht, sie politisch zu besiegen, und die einzige Möglichkeit, ihre politische Niederlage herbeizuführen, ist, sie militärisch zu besiegen.

Die Hamas ist dabei, dies zu erreichen.

Aber es gibt einen Preis zu zahlen – einen hohen Preis. Die Franzosen haben 20.000 Zivilisten verloren, um die Befreiung der Normandie im Sommer 1944 zu erreichen.

Bisher haben die palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen 12.000 Zivilisten verloren, die bei den Bemühungen der Hamas, ihre israelischen Besatzer militärisch zu besiegen, getötet wurden.

Dieser Preis wird in den kommenden Tagen und Wochen noch steigen.

Aber es ist ein Preis, der gezahlt werden muss, wenn es eine Chance auf ein palästinensisches Heimatland geben soll.

Das Opfer des palästinensischen Volkes hat eine arabische und islamische Welt in Zugzwang gebracht, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gegenüber den von Israel an dem palästinensischen Volk verübten Verheerungen stumm geblieben ist. Die nichts unternommen hat, als die Sache der palästinensischen Staatlichkeit durch das Abraham-Abkommen erörtert wurde.

Nur aufgrund des Leidens des palästinensischen Volkes schenkt heute irgendjemand der Sache der palästinensischen Staatlichkeit Aufmerksamkeit.

Oder dem Wohlergehen der palästinensischen Gefangenen, die von Israel festgehalten werden.

Oder der Unantastbarkeit der Al-Aqsa-Moschee.

All dies waren die erklärten Ziele der Hamas bei ihrem Angriff am 7. Oktober.

Und alle Ziele werden in diesem Moment erreicht.

Nur dank der Aktionen der Hamas und der Opfer des palästinensischen Volkes.

Das macht den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober zum erfolgreichsten Militärangriff dieses Jahrhunderts.

[Originalbeitrag auf www.scottritterextra.com]

[Deutsche Übersetzung auf Co-op-News]

„Marsch für Israel“ in Washington: Demokraten und Republikaner gemeinsam für Völkermord

Von Jacob Crosse und Joseph Kishore – 16. November 2023

Am Dienstag fand in Washington D.C. ein schmutziges Spektakel statt. Der „Marsch für Israel“ wird als Kundgebung für ethnische Säuberung und Völkermord in die Geschichte eingehen.

Führende Vertreter der Demokratischen und der Republikanischen Partei erklärten ihre Unterstützung für den Krieg Israels gegen die Bevölkerung des Gazastreifens, in dem bereits mindestens 11.000 Menschen, darunter mehr als 4.000 Kinder, getötet wurden. Nur wenige Stunden später griffen israelische Panzer und Bulldozer, offenbar zeitlich abgestimmt auf die Kundgebung, das Al-Shifa-Krankenhaus an – ein weiteres offenkundiges Kriegsverbrechen.

Vor diesem Hintergrund erschallte auf der Kundgebung bevorzugt der Ruf: „Kein Waffenstillstand!“, im Klartext: „Mehr Völkermord!“

Die Kundgebung war ein verzweifelter Versuch der herrschenden Klasse, in der Bevölkerung Unterstützung für ihre Aktionen zu erzeugen. Denn diese Unterstützung gibt es nicht. Die Veranstaltung wurde vom gesamten politischen Establishment unterstützt. Führende Politiker der Demokraten und Republikaner im US-Senat und im Repräsentantenhaus traten als Hauptredner auf. Die Regierung Biden entsandte ihre „Sonderbeauftragte für die Beobachtung und Bekämpfung des Antisemitismus“, Deborah Lipstadt.

Beträchtliche Mittel wurden aufgewendet, um die Teilnehmer aus dem ganzen Land einzufliegen und ihre Anreise zu finanzieren. Trotzdem nahmen auf dem Höhepunkt der Kundgebung kaum 10.000 Menschen teil, ein winziger Bruchteil der 300.000, die vor zehn Tagen zu der Massendemonstration gegen den Krieg nach Washington gekommen waren.

In den Medien wurde die Kundgebung, wie nicht anders zu erwarten, als ein Zeichen massiver Unterstützung für Israel gewertet. Die New York Times, die Washington Post und andere Zeitungen brachten Artikel an prominenter Stelle, und die Nachrichtensender berichteten live – dieselben Medien, die sich über weitaus größere Demonstrationen gegen den Völkermord ausgeschwiegen haben. Nun wurden die Teilnehmerzahlen um mehr als Zehnfache übertrieben und vorwiegend Bildausschnitte mit Nahaufnahmen veröffentlicht.

Während die Redner die Kundgebung als die Stimme des jüdischen Volkes darstellten, haben sich weitaus mehr Menschen jüdischer Herkunft an Demonstrationen gegen Israels Verbrechen teilgenommen, als am Dienstag nach Washington gereist waren. Erst am Vortag hatten Hunderte Demonstranten unter der Führung von „Jewish Voice for Peace“ das Federal Building im kalifornischen Oakland besetzt. Viele von ihnen waren verhaftet worden.

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Chris Hedges: Der Gipfel des Grauens

Von Chris Hedges (in Doha, Katar) – 15. November 2023

Joe Biden wird als Komplize des Völkermords in die Geschichte eingehen. Mögen die Geister der Tausenden von Kindern, an deren Ermordung er beteiligt war, ihn für den Rest seines Lebens heimsuchen.

Ich sitze im Studio des arabischen Dienstes von Al Jazeera und sehe eine Live-Übertragung aus Gaza-Stadt. Der Al Jazeera-Reporter im nördlichen Gazastreifen war aufgrund des intensiven israelischen Beschusses gezwungen, in den südlichen Gazastreifen zu evakuieren.

Er ließ seine Kamera zurück. Er richtete sie auf das Al-Shifa-Krankenhaus, den größten medizinischen Komplex in Gaza. Es ist Nacht. Israelische Panzer schießen direkt auf den Krankenhauskomplex. Lange horizontale rote Blitze. Ein vorsätzlicher Angriff auf ein Krankenhaus. Ein vorsätzliches Kriegsverbrechen. Ein vorsätzliches Massaker an den hilflosesten Zivilisten, einschließlich der Schwerkranken und Säuglinge. Dann bricht die Verbindung ab.

[Die israelischen Truppen sind inzwischen in das Krankenhaus eingedrungen und befinden sich dort mitten in einer militärischen Operation.]

Wir sitzen vor den Monitoren. Wir sind still. Wir wissen, was das bedeutet. Kein Strom. Kein Wasser. Kein Internet. Keine medizinische Versorgung. Jeder Säugling in einem Brutkasten wird sterben. Jeder Dialysepatient wird sterben. Jeder, der auf der Intensivstation liegt, wird sterben. Jeder, der Sauerstoff braucht, wird sterben. Jeder, der notoperiert werden muss, wird sterben.

Und was wird mit den 50.000 Menschen geschehen, die durch die unerbittlichen Bombardierungen aus ihren Häusern vertrieben wurden und auf dem Krankenhausgelände Zuflucht gefunden haben? Auch hierauf kennen wir die Antwort. Auch von ihnen werden viele sterben.

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[Zum Originalbeitrag auf Consortium News]

Zeitenwende der Zeitenwende in der Ukraine? – Die Anzeichen mehren sich

Von Jürgen Hübschen – 15. November 2023

Am 24. Februar 2022 waren die russischen Streitkräfte in die Ukraine einmarschiert. Bereits im März 2022 hatte es in Istanbul auf Vermittlung von Präsident Erdogan Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine gegeben, um den Krieg zu beenden. Die zwischenzeitlich erreichten Ergebnisse waren nach Aussagen von Insidern durchaus Erfolg versprechend. Nach einem Besuch des damaligen britischen Premierministers Boris Johnson in Kiew am 9. April 2022 wurden die Verhandlungen ohne irgendwelche öffentlichen Verlautbarungen abgebrochen. Es ist davon auszugehen, dass Großbritannien und auch die USA an einem Waffenstillstand nicht interessiert waren, sodass Kiew nichts anderes übrig blieb, als die Gespräche zu beenden.

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Wird Armenien vom Verbündeten Russlands zum Verbündeten der USA?

Von Thomas Röper – 12. November 2023

Die USA geben sich weiterhin alle Mühe, Unruhe an Russlands Grenzen zu schüren, um Russland zu schwächen, und russische Verbündete auf ihre Seite zu ziehen. Ein Beispiel dafür ist Armenien, wo die USA derzeit recht erfolgreich sind. – Die sehr einflussreiche RAND-Corporation hat 2019 eine Studie mit dem Titel „Russland überdehnen – aus vorteilhafter Position konkurrieren“ (Extending Russia – competing from advantageous ground) veröffentlicht, die im Grunde eine Anleitung zu einem wirtschaftlichen, politischen und medialen Krieg gegen Russland war. Es wurden alle Maßnahmen gegen Russland erörtert und empfohlen, außer einem heißen Krieg zwischen den USA und Russland. Ich habe 2021 in einem langen Artikel aufgezeigt, dass fast alles, was RAND der US-Regierung zwei Jahre zuvor „empfohlen“ hat, bereits umgesetzt war. Die Ereignisse, nachdem der Konflikt über Bergkarabach wieder aufgeflammt ist, haben genau das erreicht, was RAND als Ziel ausgegeben hat. Darüber habe ich vor einem Monat bereits berichtet, den Artikel finden Sie hier. Heute will ich berichten, wie es seit dem weitergegangen ist. Am Ende dieses Artikels finden Sie noch einen Exkurs in die Geopolitik, der die Interessen der USA in der Region erklärt.

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Nach Bidens Absage an eine Waffenruhe: Israel bombardiert drei Krankenhäuser

Von Andre Damon – 12. November 2023

Am Donnerstag bekräftige US-Präsident Joe Biden kurz vor seiner Abreise zu einer Wahlveranstaltung in Illinois noch einmal kategorisch seine Ablehnung einer Waffenruhe in Israels Völkermord in Gaza. Auf die Frage: „Wie stehen die Aussichten auf einen Waffenstillstand im Gazastreifen?“ antwortete er: „Keine. Keine Möglichkeit.“

Damit machte Biden deutlich, dass die USA Israels Völkermord im Gazastreifen aktiv vorantreiben und daran arbeiten, einen größeren Krieg im Nahen Osten zu entfachen. Nur zwei Tage zuvor hatte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, erneut erklärt, für die USA gäbe es keine „roten Linien“ bei der Zahl der zivilen Todesopfer, die sie akzeptieren würden.

Bidens Äußerungen sorgten weltweit für Empörung. Ausschnitte seiner Erklärung wurden von Millionen Menschen auf allen Social-Media-Plattformen angesehen oder geteilt. In Chicago wurde er von Tausenden von Menschen empfangen, die gegen die Unterstützung der USA für Israels Völkermord in Gaza demonstrierten und skandierten: „Völkermord-Joe“ und „Biden, Biden, du kannst dich nicht verstecken, wir klagen dich wegen Völkermord an.“

Bei seiner Rede in Illinois wurde Biden von einer Demonstrantin unterbrochen, die rief: „10.000 Palästinenser wurden getötet. Die Hälfte davon waren Kinder.“

Bevor Biden nach Chicago aufbrach, wurde er gefragt, ob Israels „Vergeltungs-Luftangriffe“ funktionieren. Darauf antwortete er: „Ja, sie treffen die angestrebten Ziele.“

Nur wenige Stunden nach diesen Äußerungen machten die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) deutlich, welche Ziele sie „angestrebt haben“, indem sie drei Krankenhäuser bombardierten. Der Krankenhauskomplex al-Shifa, in dem Zehntausende Zuflucht gefunden haben, wurde mit einer experimentellen Rakete bombardiert. Vermutlich handelte es sich dabei um eine amerikanische Hellfire R9X, die statt einem Sprengkopf Klingen über das Zielgebiet verteilt, die Schnittwunden und Amputationen von Gliedmaßen und große Blutlachen verursachen. Die entsetzliche Wirkung dieser Rakete war in einem weit verbreiteten Video zu sehen.

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G7-Staaten drohen dem Iran angesichts des israelischen Massakers im Gazastreifen mit regionalem Krieg

Von Jordan Shilton – 9. November 2023

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekräftigte am Mittwoch, dass seine Regierung einen Waffenstillstand ablehnt. Die Erklärung der G7-Staaten, in der Israels völkermörderische Gewalt gegen die Palästinenser im Namen der „Selbstverteidigung“ unterstützt wird, ermutigte ihn zudem dazu, dem Iran zu drohen. Wie akut die Gefahr eines regionalen Krieges ist, zeigen die Luftangriffe der USA und Israels auf Ziele in Syrien, die angeblich in Zusammenhang mit der iranischen Revolutionsgarde stehen.

Die Außenminister Großbritanniens, Kanadas, Frankreichs, Deutschlands, Japans, Italien und der USA haben dem Netanjahu-Regime bei einem Treffen in Tokio Unterstützung für seine Luftangriffe auf den Gazastreifen zugesichert, die bisher mehr als 10.500 zivile Todesopfer gefordert haben. Die Erklärung lag inhaltlich auf einer Linie mit der Kriegspropaganda des rechtsextreme Netanjahu-Regimes: „Wir verurteilen unmissverständlich die Terroranschläge der Hamas und anderer Gruppen auf Israel, die am 7. Oktober begannen, sowie die anhaltenden Raketenangriffe auf Israel … Wir bekräftigen das Recht Israels, sich und seine Bevölkerung zu schützen und eine Wiederholung [der Anschläge] zu verhindern, wie es das Völkerrecht vorsieht.“

Die Erklärung der G7-Staaten trug die unverkennbare Handschrift des US-Imperialismus, der einen weiteren regionalen Krieg vorbereitet, um seine Hegemonie gegen alle Herausforderungen zu verteidigen. Es heißt darin drohend: „Wir fordern den Iran auf, der Hamas keine weitere Unterstützung zu leisten und von weiteren Aktionen abzusehen, die den Nahen Osten destabilisieren, darunter Unterstützung für die libanesische Hisbollah und andere nichtstaatliche Akteure. Stattdessen sollte er seinen Einfluss auf diese Gruppen benutzen, um die regionalen Spannungen zu deeskalieren.“ In einem gänzlich dem Iran gewidmeten Abschnitt wurde das Land für zahlreiche Punkte verurteilt, von seinem Atomprogramm über die Entwicklung von Raketen bis hin zur Menschenrechtslage.

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Washington droht dem Iran mit Atomkrieg

Von Alex Lantier – 7. November 2023

Am Wochenende haben auf der ganzen Welt Millionen Menschen gegen Israels völkermörderischen Krieg im Gazastreifen protestiert. Am Sonntag besuchte US-Außenminister Antony Blinken die irakische Hauptstadt Bagdad, wo er das Eindringen pro-iranischer Milizen anprangerte. Diese sind im Irak aktiv, seitdem Washington illegal in das Land einmarschiert ist, die irakische Regierung gestürzt hat und von 2003 bis 2011 das Land besetzt hielt.

Blinken beschuldigt diese Milizen, seit Beginn des Gaza-Kriegs US-Militärbasen im Irak und in Syrien zu beschießen. Er sagte: „An alle, die versuchen könnten, den Konflikt in Gaza auszunutzen, um unser Personal hier oder irgendwo sonst in der Region zu bedrohen: Lasst es! … Die Drohungen, die von Milizen, die mit dem Iran verbündet sind, ausgehen, sind völlig inakzeptabel. Wir werden alle notwendigen Schritte unternehmen, um unsere Leute zu schützen. Wir suchen keinen Konflikt mit dem Iran – das haben wir sehr deutlich gemacht – aber wir werden das Notwendige tun, um unser Personal zu schützen …“

Blinkens Argument ist eine politische Lüge: Nicht der Iran sucht den Krieg mit den Vereinigten Staaten, sondern Washington sucht den Krieg mit dem Iran. Blinken bedroht unmissverständlich den Iran oder pro-iranische Kräfte im Irak, in Syrien und im gesamten Nahen Osten.

Vor einem Monat begann der palästinensische Aufstand gegen die illegale Blockade des Gazastreifens durch Israel. Seitdem sind mehr als 10.000 Palästinenser, zumeist Frauen und Kinder, getötet worden. Israel hat die Flüchtlingslager, Krankenhäuser und Schulen im Gazastreifen bombardiert, die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Strom unterbrochen und die Hälfte der Gebäude zerstört.

Die [US-]amerikanische Regierung versucht nicht etwa, auf Zurückhaltung zu drängen, um die Krise zu beruhigen, sondern heizt sie weiter an. Damit stellt sie die Weichen auf Krieg. Das iranische Regime hat gewarnt, dass es militärisch eingreifen könnte, um die Palästinenser vor einem Völkermord zu schützen, falls Israel in den Gazastreifen einmarschiert.

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Die EU soll aus geopolitischen Gründen um jeden Preis erweitert werden

Von Thomas Röper – 6. November 2023

Die EU wurde in den letzten Wochen in einem Punkt bemerkenswert ehrlich: Bei den EU-Erweiterungen geht es nicht um „Werte“, sondern um Machtpolitik, weshalb in der EU nun Druck gemacht wird, die Union schnellstens zu erweitern. – Es gab mal eine Zeit, da hat die EU behauptet, sie sei eine Organisation, deren Mitgliedschaft man sich nach objektiven Kriterien verdienen müsse. Die Staaten, die der EU beitreten wollten, mussten lange Listen von Reformen umsetzen, um „demokratisch“ zu werden, einen funktionierenden Rechtsstaat zu haben und so weiter. Und natürlich mussten sie wirtschaftlich ein gewisses Niveau erreicht haben und die Korruption bekämpfen. … In den letzten Wochen und Monaten haben immer mehr EU-Offizielle, also Vertreter Brüssels und Minister und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten, verkündet, die EU müsse aus geopolitischen Gründen erweitert werden. Und zwar ganz schnell! Es war sogar die Rede davon, die Aufnahmekriterien für einige Staaten aufzuweichen oder aufzuheben.

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Die USA am Pranger

Von Edgar Göll – 6. November 2023

Die Weltgemeinschaft fordert von den USA ein sofortiges und bedingungsloses Ende der Blockade gegen Kuba – zum wiederholten Mal. – Die erneute Niederlage der US-Regierung gegen Kuba bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York City war zu erwarten. Denn seit nunmehr 31 Jahren verliert die nicht mehr in allen Hinsichten als Supermacht geltende USA eine Abstimmung gegen den kleinen, sozialistisch sich entwickelnden Inselstaat. Nach der erfolgreichen Revolution von 1959 unter der Führung durch einige bärtige junge Männer und der damit verbundenen Vertreibung des US-gesponserten Diktators Batista wurde Kuba zu einem wichtigen Feindbild der USA. Das waffenstarrende Imperium war gedemütigt und ließ seither nichts unversucht, den aufmüpfigen, eigensinnigen Nachbarstaat zu stören bzw. zu zerstören: militärische Invasion, Terroranschläge, hunderte von Attentatsversuchen gegen Führungspersönlichkeiten und vieles andere mehr. Fidel Castro, Che Guevara und Co. haben doch tatsächlich das US-Modell verschmäht und sich auf den schwierigen Weg eines karibischen Sozialismus gemacht. Ein wichtiges Geschütz dagegen sollte dann die Einrichtung einer Blockade sein.

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